Was macht die Norwegische Waldkatze aus?

Der folgende Text stammt im Original von Frau Jette Eva Madsen, Cattery Felis Jubatus, aus Dänemark. Sie hat mir freundlicherweise erlaubt, ihn zu übersetzen und auf meiner Seite zu veröffentlichen. Darüber freue ich mich sehr, da sie seit über 30 Jahren mit dieser Rasse vertraut ist und mit ihren Katzen einen großen Beitrag zur Entwicklung der Rasse geleistet hat. Man findet in fast allen europäischen Stammbäumen Katzen aus ihrer Zucht. Ich finde diesen Artikel sehr informativ und stimme mit den Aussagen überein. 

Die meisten Rassekatzen entstanden aus der Idee eines Katzenzüchters von der perfekten Katze. Züchter haben über Generationen geeignete Zuchttiere ausgewählt, um ihre Vorstellung von der perfekten Katze zu erfüllen. In diesem fundamentalen und wichtigen Punkt unterscheidet sich die Norwegische Waldkatze von den meisten anderen Rassekatzen.

 

Diese Erkenntnis macht neugierig und unvermeidbar stellt sich die Frage: Woher kommt die Norwegische Waldkatze und warum besitzt sie ihre besonderen Merkmale?

Die Geschichte

Auf der Suche nach der Herkunft der Norwegischen Waldkatze begegnen einem einige mehr oder weniger mythische Geschichten.

Die ältesten Volkssagen über die Norwegischen Waldkatzen stammen von Quellen, die behaupten, dass die Hauskatzen der Wikinger Norwegische Waldkatzen waren. Die Wikinger nahmen die Katzen mit auf ihre Reisen in die bekannte Welt und darüber hinaus und man glaubt, dass dies die große Zahl halbwilder Halblanghaarkatzen in der Normandie und vielleicht auch in den USA erklärt.

1559 unterteilte der in Dänemark geborene Priester Peter Clausson Friis, der zu dieser Zeit in Norwegen lebte, den Norwegischen Luchs in drei Klassen: den Wolf-Luchs, den Fuchs-Luchs und den Katzen-Luchs. Später wurde klar, dass alle Norwegischen Luchse zu einer Klasse gehörten. Aber was Peter Clausson Friis den Katzen-Luchs nannte, waren vielleicht tatsächlich Norwegische Waldkatzen. Dies ist recht wahrscheinlich, da es eigentlich viele Gemeinsamkeiten zwischen Luchs und Norwegischer Waldkatze gibt. Die offensichtlicheren davon sind, dass es sich bei beiden um große, hochbeinige Katzen mit einer Halskrause und Haarbüscheln auf den Ohren handelt. Zusätzlich mögen beide das Wasser und es existieren viele Geschichten, die von Norwegischen Waldkatzen erzählen, die Fische in Seen und Bächen fangen konnten – genau wie der Luchs.

Es waren diese Gemeinsamkeiten mit dem Luchs, die immer wieder nicht unerhebliches Interesse an den Waldkatzen weckten.

In den Dörfern gab es natürlich viele Katzen, aber in den alten Volkssagen findet besonders ein Typ immer wieder Erwähnung: eine große, langhaarige Katze. Aufgrund der Größe und der luchsartigen Merkmale dachte man, es sei eine Mischung aus Hund und Katze, oder häufiger, ein Halbluchs.

In den Volkssagen von Asbjørnsen und Moe erscheint die Waldkatze mehrmals. Hier wird sie „Huldrekatt“ genannt, was im Glossar als „Waldkatze mit einem dicken, buschigen Schwanz“ beschrieben wird.  Volkssagen und Legenden sind nicht der einzige Hinweis auf das regelmäßige natürliche Vorkommen von Waldkatzen. 1912 schrieb der norwegische Autor Gabriel Scott ein bekanntes Kinderbuch mit dem Titel „Solvfaks“. Die Hauptfigur ist eine Waldkatze namens Solvfaks.

Die biologische Erklärung für das Auftreten der Waldkatze ist, dass deren Vorfahren wohl südeuropäische Kurzhaarkatzen waren,  die sich in prähistorischer Zeit bis nach Norwegen und in andere Teile Europas verbreiteten. Durch die natürliche Selektion in Norwegens schwierigem und deutlich anderem Klima, konnten sich nur Individuen mit dickem Fell  und anderen Anpassungen an das raue Klima durchsetzen.

In den 30er Jahren wandten sich Norweger mit Interesse an Katzen den Waldkatzen zu. Allerdings geschah es nicht vor Beginn der 70er Jahre, dass man erkannte, dass die Waldkatze durch die Bewirtschaftung der norwegischen Wildnis und die verbesserten Überlebenschancen der Kurzhaarkatzen vom Aussterben bedroht war, sodass Zuchtprogramme begonnen wurden. Wie bekannt ist, führen Paarungen kurzhaariger mit langhaarigen Katzen zu kurzhaarigem Nachwuchs. Wenn also keine Gegebenheiten mehr herrschen, die Langhaarkatzen bevorzugen, dann werden diese schnell aussterben.

 

Im Dezember 1975 gründeten enthusiastische Züchter den Norsk Skogkattring und schon 1976 wurde die Rasse offiziell von der Fifé, dem größten europäischen Dachverband der Katzenvereine, anerkannt.   

Beschreibung der Norwegischen Waldkatze

Die Hypothese, dass sich die Norwegische Waldkatze als Ergebnis der natürlichen Selektion in Norwegens schwierigen klimatischen Bedingungen entwickelt hat, basiert auf den besonderen Eigenschaften, die man bei dieser Rasse findet. Einige davon kommen ebenfalls in anderen Rassen vor, allerdings besitzt keine andere Rasse diese einzigartige Kombination von Eigenschaften, die es erlaubt, in der norwegischen Wildnis zu überleben.

Die bemerkenswerteste Anpassung ist der dramatische Fellwechsel der Norwegischen Waldkatze. Ein Norweger entwickelt ein dickes, wolliges Unterfell während der kühlen Herbstmonate. Je kälter es wird und je länger der Winter dauert, desto dicker und stärker wird das Fell. Zu dieser Zeit wachsen auch Mähne, Halskrause und „Knickerbocker“ an den Hinterbeinen.

Nach den ersten warmen Wochen im Frühling beginnt das Abwerfen des Unterfells und wenn die Temperaturen 15 – 20 °C erreichen, ist fast das gesamte Unterfell nach ein paar Tagen abgeworfen. Dann liegen die langen, glänzenden Deckhaare dicht am Körper an und von weitem verrät nur der buschige Schwanz, dass es sich um eine langhaarige Katze handelt. Die Deckhaare sind per se ein Kapitel für sich. Sie sind lang und glänzend. Die meisten Deckhaare findet man auf dem Rücken, zu den Seiten und an der Oberseite des Schwanzes. Insgesamt fungieren diese Deckhaare gewissermaßen als Regenmantel und ohne eine solche Ausstattung würden alle wilden Tiere in kaltem und nassem Klima eine Lungenentzündung bekommen. Diese besondere Zusammensetzung des Fells mit der klaren Abgrenzung von Unterfell und Deckhaar ist der Grund, weshalb das Fell außerhalb des Fellwechsels nicht verfilzt und die Norwegische Waldkatze normalerweise keine Hilfe bei der Fellpflege benötigt. In Bezug auf das Fell kann man noch hinzufügen, dass die Ohrinnenflächen sehr haarig sind und dass das Fell auf dem Kopf und vor den Ohren, insbesondere im Winter, eine beachtliche Länge erreichen kann. Für eine Katze, die an das kalte Klima angepasst ist, ist es wichtig, den Wärmeverlust soweit wie möglich zu reduzieren.

Die Norwegische Waldkatze ist von großer und kräftiger Statur. Für die nördliche Hemisphäre gibt es in der Biologie eine Regel, die besagt, dass in Bezug auf Tiere derselben Art die kleineren, zierlicheren weiter südlich als die größeren, kräftigen leben (Bergmann’sche Regel). Der Grund dafür ist, dass bei größeren Tieren der Wärmeverlust aufgrund des günstigeren Verhältnisses von Körpervolumen zu Körperoberfläche geringer ist.

Sowohl weibliche als auch männliche Tiere sollten einen breiten Brustkorb und damit einen gewissen Abstand zwischen den Schultern aufweisen. Wenn die möglichst großen Pfoten gespreizt werden, sollte man lange Zehen mit langen Krallen sehen. Auch die Beine sollen lang und kräftig sein. Der Vorteil hierbei ist, dass der Bauch bei tiefem Schnee diesen nicht berührt und somit nicht zu kalt wird. Zusätzlich sind die Hinterbeine etwas höher als die Vorderbeine. Das erklärt die charakteristische Kombination von kraftvollem Laufen und langen Sprüngen, wofür die Norwegische Waldkatze bekannt ist. Der Körper ist sehr muskulös, wobei besonders die Oberschenkel- und Brustmuskeln stark ausgebildet sind. Ausgewachsene, d.h. 2-3 Jahre alte, Norwegische Waldkatzen wiegen 3,5 – 6 kg (Kätzinnen) bzw. 5,5 -9 kg (Kater).

Eine gut proportionierte Norwegische Waldkatze erweckt die Vorstellung einer wilden, wachen und aufmerksamen Katze. Die Kopfform ist von vorn betrachtet dreieckig. Von der Seite sieht man eine gerade, lange Profillinie und ein starkes Kinn. Die Augen sind groß, leicht oval und leicht schräg gestellt. Die Ohren sind so platziert, dass die Außenkante des Kopfes eine Linie vom Kinn über die Wange zum Ohr bildet. Weiterhin ist die innere Ohrkante etwas weiter vorn als die äußere platziert. Die Ohrmuschel ist vertikal gestellt. Die Ohrspitzen sind möglichst mit Fellbüscheln besetzt und an der Innenkante des Ohres wachsen Haare von der Basis bis fast zur Spitze.

Der Gesamteindruck bei einer Norwegischen Waldkatze sollte der einer großen, muskulösen, eleganten und aufmerksamen Katze sein.

Auch in Bezug auf Charakter und Temperament unterscheidet sich die Norwegische Waldkatze von vielen anderen Rassen. Leider ist die Beschreibung des Charakters einer Rasse häufig eine stereotypische und langweilige Sache. Alle Rassen sind nach Ansicht der Besitzer mehr oder weniger lebhaft, verspielt, intelligent und anschmiegsam. Als „Naturkatze“ muss die Norwegische Waldkatze jedoch in besonderem Maße intelligent und erfinderisch sein um überleben zu können. In Zeiten des Futtermangels oder des schlechten Wetters sind es die besonders klugen Individuen, die ungewöhnliche Methoden nutzen um Futter oder einen warmen Platz zu finden und so die besseren Chancen haben.

Die Norwegische Waldkatze ist außerdem sehr mutig und furchtlos. Als (halb)wildes Tier hat sie über Generationen gelernt, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Zusammen mit dem außergewöhnlich mutigen Verhalten ergibt sich eine besonders nervenstarke  Persönlichkeit. Eine Norwegische Waldkatze lässt sich normalerweise nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Sie erträgt alle möglichen Veränderungen mit einer erstaunlichen Leichtigkeit und gewöhnt sich an die neuen Bedingungen.

Gleichzeitig ist sie eine sehr lebhafte, aufmerksame und starke Katze. Dennoch spricht nichts dagegen, eine Norwegische Waldkatze in der Wohnung zu halten. In diesem Fall ist es jedoch nötig, gute Klettermöglichkeiten zu bieten, zum Beispiel einen Kratzbaum bis zur Decke um das natürliche Bedürfnis der Katze nach Bewegung zu befriedigen. Falls die Katzen nach draußen können, werden sie es ohne Zweifel genießen, den höchsten Baum zu erklimmen. Auf dem Weg nach unten wird man fast den Stamm entlang rennen sehen, nicht selten mit dem Kopf voran. Waldkatzen, besonders die Kätzinnen, sind bemerkenswerte Jäger, die sogar gesunde, ausgewachsene Vögel im Flug erwischen.

Eine Norwegische Waldkatze kommt gut mit anderen Katzen, Hunden und Kindern aus, ist aber vielleicht nicht so eine eindeutige Familienkatze wie eine Burma, denn sie bindet sich oft eng an eine bestimmte Person, mit der sie durch dick und dünn geht. Sie wird aber nicht unfreundlich oder uninteressiert an den anderen Familienmitgliedern sein, solange sie ruhige Momente mit ihrem ausgesuchten Partner verbringen kann. Wenn mehrere Familienmitglieder eine so enge Beziehung zu einer Norwegischen Waldkatze möchten, sollte jeder eine Katze für sich haben.

Als Zuchttier ist die Norwegische Waldkatze sehr unkompliziert und gesund. Sie schätzt die Beteiligung des Züchters zu den Höhepunkten ihres Lebens, wie bei Geburt und Paarung, kann diese Situationen aber auch gut allein bewältigen.

 

Die gut entwickelte Intelligenz und das lebhafte und energiegeladene Verhalten der Norwegischen Waldkatze stellen einige Anforderungen an den Halter, wenn die Katze sich mental und körperlich wohlfühlen und ihre Fähigkeiten voll ausleben soll. Sie lieben es, im Spiel zu lernen. So lernen sie mit Leichtigkeit, an der Leine zu laufen, zu apportieren, auf Kommando zu Springen und vieles mehr. Wenn man für Beschäftigung sorgt, ist ein interessanter, glücklicher und schöner Partner die Belohnung. 

Die Verbreitung der Rasse

Die Norwegische Waldkatze ist sehr bekannt geworden. Was 1976 Norwegens Nationalkatze war und nur in Norwegen, Schweden und Finnland zu finden war, ist jetzt eine bei verschiedenen Katzenorganisationen anerkannte Rassekatze. Auf Katzenausstellungen in Skandinavien und Nordeuropa ist die Norwegische Waldkatze die meist repräsentierte Rasse mit 60 bis 180 gemeldeten Katzen (auf Ausstellungen sind meist 300 – 1000 Katzen). Die Norwegische Waldkatze ist nun in ganz Europa zu finden. Auch in den USA ist die Rasse sehr erfolgreich und erfreut sich in Südamerika und Osteuropa zunehmender Beliebtheit.  

 

Die Beliebtheit der Norwegischen Waldkatze übertraf alle Erwartungen, selbst die der enthusiastischsten Unterstützer der Rasse. Die Natur hat es tatsächlich mit kleinen Mitteln wie Schnee, Regen und Kälte geschafft, eine Rassekatze zu kreieren, die eine ungewöhnliche Popularität genießt. Nachdem ich nun viele Jahre Norwegische Waldkatzen gezüchtet habe, glaube ich, es erklären zu können: Die Norweger sehen „nach Katze“ aus, sind gesund und unkompliziert. Sie ist groß und imposant und nicht zuletzt hat sie eine bemerkenswerte Fellmenge, die nur wenig Pflege bedarf. 

Die Norwegische Waldkatze auf Ausstellungen

Die Show-Welt mit einer Naturrasse zu betreten ist eine große Herausforderung. Zu Anfang lautete die allgemeine Meinung oft: „Was soll diese gewöhnliche Hauskatze auf einer Katzenausstellung?“ Aber die Norwegische Waldkatze hat dieses Hindernis ohne Probleme überwunden. Der erste Schritt war die Anerkennung als Rasse, was bei der Fifé 1976 geschah. Der nächste war, an der „Best in Show“ –Auswahl teilzunehmen.

Der letzte Durchbruch auf dem Weg zur vollständigen Anerkennung, sowohl unter den internationalen Richtern als auch in der öffentlichen Meinung, kam mit den 1991 auf der Fifé World Show in Wien gekürten ersten World Winnern. Seitdem dürfen viele Katzen dieser Rasse diesen Titel tragen.

Diese Ergebnisse sprechen für sich selbst. Die Norwegische Waldkatze ist ein vollkommen akzeptiertes Mitglied in der Familie der Katzenrassen. Weltweit sind stets Norwegische Waldkatzen unter den höchstprämierten Katzen auf internationalen Ausstellungen.

 

(c) Jette Eva Madsen, übersetzt von Tobias Kettrukat, 08.04.2017